Eine Laubhütte.

Acht Wölfe – Hintergründe

Wie ich am Ende des Buches schreibe, war ich zu „Acht Wölfe“ inspiriert auf Grund des Buches „Tribe“ von Sebastian Junger. Ich kann nicht nur das Buch empfehlen, sondern auch seinen TED-Talk. Dort findet sich unter anderem das folgende Zitat (der Fettdruck kommt von mir):

„The boys are up there for a year. They got back. Some of them got out of the Army and had tremendous psychological problems when they got home. Some of them stayed in the Army and were more or less okay, psychologically. I was particularly close to a guy named Brendan O‘Byrne. I‘m still very good friends with him. He came back to the States. He got out of the Army. I had a dinner party one night. I invited him, and he started talking with a woman, one of my friends, and she knew how bad it had been out there and she said, „Brendan is there anything at all that you miss about being out in Afghanistan, about the war?“ And he thought about it quite a long time, and finally he said, „Ma‘am, I miss almost all of it.“ And he‘s one of the most traumatized people I‘ve seen from that war. „Ma‘am, I miss almost all of it.“

What is he talking about? He‘s not a psychopath. He doesn‘t miss killing people. He‘s not crazy. He doesn‘t miss getting shot at and seeing his friends get killed. What is it that he misses? […]


I think what he missed is brotherhood. He missed, in some ways, the opposite of killing. What he missed was connection to the other men he was with. Now, brotherhood is different from friendship. Friendship happens in society, obviously. The more you like someone, the more you‘d be willing to do for them. Brotherhood has nothing to do with how you feel about the other person. It‘s a mutual agreement in a group that you will put the welfare of the group, you will put the safety of everyone in the group above your own. In effect, you‘re saying, „I love these other people more than I love myself.“ […]


In World War II, there were many stories of soldiers who were wounded, were brought to a rear base hospital, who went AWOL, crawled out of windows, slipped out doors, went AWOL, wounded, to make their way back to the front lines to rejoin their brothers out there.


So you think about all these soldiers having an experience like that, a bond like that, in a small group, where they loved 20 other people in some ways more than they loved themselves, you think about how good that would feel, imagine it, and they are blessed with that experience for a year, and then they come home, and they are back in society like the rest of us, not knowing who they can count on, not knowing who loves them, who they can love, not knowing exactly what anyone they know would do for them if it came down to it. That is terrifying. Compared to that, war, psychologically, in some ways, is easy, compared to that kind of alienation.“



Sebastian Junger in seinem TED-Talk "Why soldiers miss war."

Es ist mir vorher noch nie passiert, dass ich den auslösenden Funken eines Buches so genau bestimmen kann, aber als ich fertig mit Tribe war, ging ich nach Hause und schrieb in einer Stunde den groben Plot eines Buches auf, das nach viel Recherche und noch mehr Überarbeitungen zu „Acht Wölfen“ werden würde.

Angefeuert von der Idee, eine Geschichte über das Gemeinschaftsgefühl zu schreiben, das uns Menschen in gefährlichen Situationen begleitet, stürzte ich mich in die Recherche.

Ich wollte weder die Geschichte eines Flugzeugabsturzes erzählen, noch eine historische Geschichte schreiben oder ein Buch über eine Gruppe Jugendlicher, die sich wissentlich selbst in Gefahr bringen, in dem sie unvorbereitet und ohne Sicherheitsvorkehrungen ein Abenteuer in der Wildnis unternehmen. Zumal es für die Geschichte wichtig war, dass sich am Anfang noch nicht alle kannten.

Entsprechend hatte ich eine lange Liste an Anforderungen an das Gebiet, in dem die Geschichte spielen sollte: Es musste abgelegen sein und nur sporadisch besiedelt. Es musste einen derart kalten Winter haben, dass die Gruppe nach einer gewissen Zeit eingesperrt werden würde. Und gleichzeitig sollte es auch noch etwas sein, über das man hoffentlich gerne lesen würde! Nach gründlicher Suche kam ich auf den Wood Buffalo Nationalpark in Kanada.

Die Menge an Detailwissen, das eine Abenteurerin in der Wildnis benötigt, ist immens. Das kann man sich leicht vor Augen führen: Wie bedient man ein elektrisches Gerät? Man braucht ein Kabel – davon gibt es viele verschiedene, aber man weiß, welches aus der großen Auswahl es ist. Man muss Knöpfe drücken – nicht nur die richtigen, sondern auch auf die richtige Art – kurz, lang, leicht oder mit Kraft – ein Wasserkocher ist anders als ein Smartphone. Wir wissen, welches Verhalten wir von einem Gerät erwarten, entsprechend wissen wir wenn es sich abnutzt, und wann es kaputt ist. Mindestens dieselbe Menge an Information muss man sich für jedes Detail in der Wildnis vorstellen: Die unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener Baumarten. Die richtige Art von Schnur für den richtigen Anwendungsfall. Der richtige Köder. Welche Pflanzen essbar sind und welche nicht. Wie man Spuren findet und was man macht, wenn man sie verliert.
Ich recherchierte die Routen von Zugvögeln (dazu muss ich unbedingt diese tolle, wenn auch langsame Seite empfehlen!) und wie man Winterschuhe aus Fell baut. Ich baute Hütten aus Laub und schlief ohne Schlafsack darin.

Eine Laubhütte.
In dieser Laubhütte habe ich einige Nächte lang gut geschlafen. Es hat ungefähr 3h gedauert, die Hütte zu bauen. (Man siehe auch die malerische Plastiktüte, die sehr nützlich war, um trockenes Laub zu transportieren.) Genau wie manche Charaktere in den “Acht Wölfen”, habe ich allerdings immer erst die Taschenlampe ausgemacht, bevor ich nachts hineingekrochen bin.

Ich fand auch am eigenen Leib heraus, dass der zweite Tag ohne Essen der unangenehmste ist – danach war mein Hunger erstmal verschwunden. Dafür war er danach umso größer!

Festmahl, das mich nach meiner Ankunft in der Zivilisation erwartet hat!

Einige Details musste ich zurecht biegen. So entspricht der Weg der Gruppe durch den Park und die Routen, die sie nehmen, nur anekdotisch den wahren Bedingungen. Viele Details musste ich wegen Platz und Spannung herauslassen oder ganz streichen. Meine liebste Tatsache, die ich geändert habe: In kanadischen Supermärkten gibt es Milch mittlerweile meistens nur noch in Plastik-Kanistern – im Buch ist es Glas.

Zahllose Bücher, Gespräche, Videos und eine Woche im Wald später gelangte ich zu zwei Erkenntnissen: Erstens, es ist unglaublich schwer, in der Wildnis zu überleben, und zweitens, es ist fast ebenso schwer, eine ganze Gruppe junger Menschen unter glaubwürdigen Bedingungen in der Wildnis stranden zu lassen. Warum haben sie keine GPS-Geräte? Warum kennen sie den Weg nicht? Warum haben sie keine Ausrüstung?

Zu diesem Zeitpunkt wurde mir auch klar, wie ich die Gruppe im Park gefangen halten würde (Autorinnen und Autoren müssen sich über kuriose Dinge Gedanken machen). Denn der gefährlichste Faktor bezüglich des Überlebens war ganz klar die Unwissenheit der Charaktere. Ein Beispiel dazu: Nimmt man eine Karte des Parks, setzt die Charaktere inmitten der Fläche ab und ignoriert natürliche Hindernisse wie Flüsse, dann sollte es für gesunde Menschen auch ohne Nahrung möglich sein, die Strecke in zwei bis drei Wochen zu Fuß zu bewältigen – wenn sie in einer einigermaßen geraden Linie gehen. Aber wer von uns könnte ohne Kompass die Himmelsrichtungen bestimmen – besonders im Urlaub an einem fremden Ort?

Am Ende war die wichtigste Aufgabe der Recherche, Informationen zu Gunsten der Geschichte wegzulassen und mich auf die Kernpunkte der Geschichte konzentrieren wie sie im obigen Zitat dargestellt sind: Was braucht es, damit man eine furchtbare Situation vermisst? Wie fühlt es sich an, sich komplett auf seine Mitmenschen verlassen zu können? Und was passiert, wenn man nach einer solchen Erfahrung nach Hause kommt? Ich hoffe, das ist mir gelungen.